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Alte Menschen Gesellschaft, nachdenkliches

Autor:  BlueFuchs
Gerade habe ich einen Weblogeintrag gelesen, in dem sich eine Userin beschwerte, dass ein älterer Herr sie so "random angequatscht" hat. Zuletzt schrieb sie, dass sie einfach zu freundlich sei, um solchen Leuten "Fresse, Alter" zu sagen.

Mich macht das gerade sehr nachdenklich, denn ich musste an ein Gespräch mit meiner Ma über meine Oma denken. Meine Oma ist anstrengend geworden. Nach dem Tod meines Opas fing sie an, geistig abzubauen und es wird immer schlimmer. Sie erzählt immer dasselbe, vergisst vieles.. Ich rief vor einer Weile an, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren und fragte, ob sie denn was vorhat. Ja, sie würde die Familie zum Essen einladen. Sie erzählte mir, was sie kochen würde und ich meinte, die Familie solle für mich mitessen, das Essen würde sich super anhören. Da fragte sie mich irritiert, ob ich denn nicht käme.
Ich wohne seit fast zwei Jahren gute 500km von meiner Familie entfernt.
Ich komme nur in den Semesterferien eine Weile nach Hause, weil alles weitere zu teuer würde.
Als sie diese Frage stellte, wusste ich überhaupt nicht, ob das ein Scherz sein sollte, oder ob sie sich wirklich nicht im Klaren darüber war, dass es mir unmöglich ist, ein Wochenende nach Hause zu kommen.

Es war ein wenig unheimlich und ich merkte, wie ich mich in Gedanken ein wenig von ihr distanzierte. Sofort schämte ich mich dafür, aber mir wurde bewusst, wie viel weniger Kontakt wir haben, seit ich fortgezogen bin. Wie viel weniger wir mit ihr unternehmen, weil sie einfach "komisch" und "anstrengend" geworden ist. Der Gedanke macht mich unglaublich traurig.
Zum Glück macht sie noch viel mit Freundinnen, verreist oder besucht ihre Schwestern. So ist sie nicht ganz so allein.

Ich fürchte mich davor, wenn ich mal an der Reihe bin, so alt zu sein. Omas sind für Kinder immer gefragt, aber nicht immer bis zu ihrem Ende. Denn wenn sie senil und anstrengend werden, dann werden sie allzu oft in ein Heim abgeschoben, wie der Hund, der vor der Sommerreise an der Autobahn angebunden wird. Zweifellos sind viele Familien auch überfordert und ein Heim ist nicht immer die schlechte Wahl. Aber man macht es sich heutzutage doch sehr leicht, oder?
Unsere Gesellschaft hat mehr Individualismus geschaffen. Wir müssen nicht mehr den Beruf des Vaters erlernen oder mit 18 verheiratet sein an irgendjemanden, den wir nicht wollen. Wir können frei leben und uns entfalten. Wir sind faul geworden und egoistisch. Wir wollen von Oma Geld und Süßigkeiten aber von anderen alten Leuten in Ruhe gelassen werden.

Traurig, traurig.

Tut es denn so weh, auf solche Gespräche etwas einzugehen? Ich bin selbst auch kein Gutmensch und manchmal genervt von solchen Situationen, aber der Gedanke, dass ich jemandem damit den Tag verschönern konnte, ist trotzdem schön. Und manchmal erfährt man interessante Dinge dabei.

Wenn wir, unsere Generation, selbst mal alt werden, bin ich gespannt, wieviel uns unsere Individualität und Unabhängigkeit noch wert ist, wenn wir ganz allein und verachtet sind.


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