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STARRE

von

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Der Brief

Ich öffnete vorsichtig den großen Briefumschlag und zog dort ein Testament heraus. Im Testament stand, dass Jen, Michael und ich mit unserem 18 Lebensjahr unser Erbe antreten oder ausschlagen dürfen. Wut, Verachtung und Trauer kamen gleichermaßen in mir hoch. Ich war mir sicher, dass ich von jemandem wie meinem Vater kein Geld annehmen wollte.
 

Laut las ich Luca den Brief vor, der sofort meinte, dass auch Michael einen Brief bekommen haben musste. Mir kam sofort Jen in den Sinn, die ja schon vor längerer Zeit so einen Brief erhalten haben muss. Ich schnappte mir das Telefon und rief in der WG an. Jen nahm ab und ich fragte gleich, ob Michael auch schon einen Brief bekommen hatte. „Ja, Michael hat auch einen Brief bekommen, genau wie ich, als ich 18 Jahre alt wurde. Ich habe damals das Erbe angenommen und ca. 10.000 Euro bekommen. Wir haben dir damals nichts gesagt, weil du noch in der Jugendstrafanstalt warst und wir dich nicht unnötig belästigen wollten. Euer Beitrag wird ähnlich hoch sein. Mehr ist nicht übrig geblieben, als das Haus verkauft wurde, da Papa Schulden hatte.“ Ich schwieg für einen Moment, bevor ich weiter sprach. „Wird Michael das Erbe annehmen?“, fragte ich sie und sie meinte, dass sie es nicht wüsste. Ich erklärte ihnen, dass ich von meiner Dienstreise wieder zurück war und lud sie ein, vorbeizukommen, um über alles zu reden.
 

Als ich aufgelegt hatte, nickte Luca mir zu und umarmte mich dann noch einmal ganz fest. Ich erzählte ihm, was Jen mir gesagt hatte und lief ans Fenster, um mir eine Zigarette anzuzünden. Nach etwa einer Stunde klingelte es und meine Geschwister betraten die Wohnung. Wir setzten uns alle in das Wohnzimmer und Luca fragte vorsichtig in die Runde, ob er uns alleine lassen sollte, aber alle waren einverstanden, dass er dabei blieb. Ich war ziemlich enttäuscht, dass Jen mir damals nichts von dem Brief erzählt hatte und sagte noch einmal nachdrücklich, dass sie mir das ruhig hätten sagen können. Jen meinte, dass ein großer Teil ihres Geldes in die WG Einrichtung geflossen sei und fragte mich, ob ich mich nicht gewundert habe, woher das Geld kam. Ich zuckte mit den Schultern und fragte Michael, was er vorhabe. „Ich denke, ich werde das Geld annehmen“, sagte Michael nachdenklich und ich schüttelte mit dem Kopf. „Willst du wirklich das Geld von diesem Arschloch annehmen?“ Platzte es sauer aus mir heraus. „Ich werde keinen Cent von ihm annehmen“, sagte ich stur und begann mit den Fingern zu knacken.

Michaels Stimme war immer noch leise, aber seine Worte trafen mich wie ein Schlag.
 

„Es war doch auch Mamas Wunsch, dass wir etwas erben. Schau dir mal das Testament an." sagte Michael und tatsächlich, dort waren zwei Unterschriften und eine davon war die von Mama.
 

Das war mir bisher noch gar nicht aufgefallen und ich brauchte ein wenig Zeit, um die aufkeimenden Gefühle zu sortieren. Jen nickte Michael zu und meinte, dass er recht habe. Nach einer ganzen Weile des Schweigens beschlossen die Beiden wieder zu gehen und wir verabschiedeten uns voneinander. Michael sagte, dass ich ja noch einmal in Ruhe darüber nachdenken könnte und verließ dann mit Jen die Wohnung. Die Wut und Verachtung gegenüber meinem Vater blieben, aber auch Trauer und Dankbarkeit gegenüber meiner Mutter stiegen in mir auf. Jetzt kam Luca zu mir und streichelte mir sanft über den Rücken. „Es ist ganz alleine deine Entscheidung, du musst das machen, was du für richtig hältst“, sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Weißt du, ich habe meine Mutter nie kennengelernt. Denkst du, dass sie gewollt hätte, dass ich das Geld bekomme, obwohl ich ihren Ehemann getötet habe?“ Luca überlegte einen Moment und sagte dann, dass meine Mutter sicher nur das Beste für mich gewollt hätte. Er überlegte nochmal kurz und fügte dann hinzu: „Deine Mutter hätte es mit Sicherheit auch furchtbar gefunden, was dein Vater mit euch gemacht hat und dass dies bestimmt nicht mehr der Mann war, den sie damals geheiratet hat“. „Du meinst also, ich kann das Geld annehmen?“, fragte ich Luca unsicher und er nickte mir zu. Ich lehnte mich an Lukas Schulter an und unsere Hände waren fest miteinander vereint.



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