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STARRE

von

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Der erste Kuss

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Marcus verschwunden. Er hatte keine Nachricht hinterlassen und ich war mir sicher, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Ich konnte mich den ganzen Tag kaum konzentrieren, weil ich ständig an Marcus dachte und der Gedanke, ihn nie wiederzusehen, machte mich irgendwie traurig und das, obwohl ich ihn eigentlich kaum kannte. Doch als ich schon zu Bett gegangen war, klingelte es an der Haustür. Jemand machte die Tür auf und ich konnte hören, wie meine Mutter Marcus begrüßte. Mein Herz pochte gegen meine Brust als ich Marcus die Stufen hochkommen hörte. Es fühlte sich für mich wie eine halbe Ewigkeit an und dann klopfte er an die Zimmertür und trat leise ein.
 

Als wir uns begrüßt hatten, erzählte er mir ganz aufgeregt von seinem heutigen Tag. Unter anderem berichtete er mir stolz von seinem neuen Job, denn er endlich gefunden hatte. Ich stutzte ein wenig, als ich hörte, dass der Job in einem Bordell war. Aber als er darauf hin erwähnte, dass er dort im Lager arbeitete, war ich wieder beruhigt. „Morgen werde ich dich nach der Arbeit einladen“, sagte er, „um mich bei dir für deine Gastfreundschaft zu bedanken“. Als er dies mit seinen strahlenden grünen Augen zu mir sagte, bekam ich wieder starkes Herzklopfen. Es war mir sehr unangenehm und ich hoffte, dass Marcus das Schlagen meines Herzens, in der Stille der Nacht, nicht hören konnte.
 

Marcus war schnell eingeschlafen, weil er wohl einen harten Tag hinter sich hatte. Ich war allerdings wieder hellwach und freute mich auf die Einladung am morgigen Tag. Das waren die schönsten Ferien, die ich seit langem hatte.
 

***
 

Ich konnte weder schlafen noch essen. Ich hatte keine Ahnung, wo Marcus war und ob es ihm gut ging. Ich schickte ihm so viele Nachrichten auf sein Handy, doch er antwortete einfach nicht. Ich und auch Jen waren langsam krank vor Sorge. Obwohl ich nicht so richtig religiös war, hatte ich mir angewöhnt, jeden Abend zu beten, dass es meinem Zwillingsbruder gut ging. Abseits davon war ich bereits eine Woche im Waisenhaus und Reiner und ich waren so langsam richtig gute Freunde geworden. Wir hingen jeden Tag zusammen herum, was mich ein wenig von Marcus ablenkte. Eines Morgens sprach mich der Heimleiter an, dass die Polizei sich mit mir wegen Marcus in Verbindung setzen wollte. Er wollte wissen, ob ich dazu bereit wäre, ihnen ein paar Fragen zu beantworten. Ich stimmte einer Befragung zu, aber wie sich später herausstellte, konnte ich ihnen leider nicht behilflich sein.
 

Als ich es nicht mehr aushalten konnte, beschloss ich, mich auf eigene Faust auf den Weg zu machen und alle Freunde von Marcus aufzusuchen. Zuerst ging ich zu Jona, er war ein guter Freund von Marcus und ein paar Jahre älter als wir. Er hatte Marcus auch schon öfters bei Schwierigkeiten geholfen, also konnte ich mir gut vorstellen, dass Marcus vielleicht bei ihm wäre.
 

„Komm herein“, sagte er freundlich und fügte hinzu, dass er schon gehört habe, dass Marcus verschwunden sei. Bedauerlicherweise hatte auch er keine Ahnung, wo Marcus sein könnte. Aber er bot mir seine Hilfe an, Marcus ausfindig zu machen und so verbrachte ich den ganzen Nachmittag bei ihm. Wir telefonierten noch weitere Freunde von Marcus ab, aber alles ohne Erfolg.
 

Nach dem Abendessen verließ ich das Kinderwohnheim und setzte mich auf eine Bank im Hof. Völlig gedankenverloren schaute ich in den Sternenhimmel und bewunderte den schönen Ausblick. Plötzlich kam Anna, ein Mädchen hier aus dem Heim heraus und setzte sich neben mir auf die Bank. Ohne ein Wort zu sagen, schauten wir uns gemeinsam den Sternenhimmel an. Dann sagte sie mit ihrer hellen, beruhigenden Stimme: „Deinem Bruder geht es sicher gut“. Ich nickte und war sehr gerührt von ihrer Anteilnahme. Dann fingen wir an, uns über alles Mögliche zu unterhalten. Wie zum Beispiel über die Sternbilder, die Marcus mir beigebracht hatte. Es dauerte nicht lange, bis es bei mir gefunkt hatte und ich ein wenig nervös wurde. Plötzlich ergriff sie meine Hand und in diesem Moment wurde mir klar, dass es ihr genauso ging. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und schaute ihr tief in die Augen. Dann fasste ich all meinen Mut zusammen und küsste sie. Es war ein zärtlicher und sehr langer Kuss. Es war das Schönste, was ich bis jetzt erlebt hatte und ich wünschte, dieser Moment würde nie enden.



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