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STARRE

von

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Schulabschluss?

Am nächsten Morgen wurde ich früh von meinem Wecker aus dem Bett geklingelt. Es war ungewohnt, ohne Luca aufzuwachen und ich beschloss, ihn noch kurz anzurufen, bevor ich unter die Dusche sprang. Wir telefonieren zwar nur recht kurz, aber waren so verblieben, dass wir heute Abend noch einmal telefonieren würden. Trotzdem hat es gut getan, seine Stimme zu hören und sein „ich liebe dich“ gab mir Energie bis heute Abend durchzuhalten. Bernd und ich gingen zunächst einmal ausgiebig im Hotel frühstücken, bevor wir uns auf den Weg zum nächsten Bordell in Bayern machten.
 

Im Auto fragte Bernd mich plötzlich, welchen Schulabschluss ich denn eigentlich hätte und ich lief rot an. „Ich habe gar keinen Abschluss“, sagte ich leise, weil es mir sehr unangenehm war. Bernd zog scharf die Luft ein und schüttelte mit dem Kopf. „Dann solltest du über eine Abendschule nachdenken. Etwas in Richtung Wirtschaft wäre wichtig, aber dafür müsstest du erstmal deinen Realschulabschluss nachmachen. Es ist wichtig für deine Zukunft, wenn du wirklich einmal meinen Platz im Bordell einnehmen möchtest“, sagte Bernd nachdrücklich. „Ich bin damals von zu Hause abgehauen und habe die Schule geschmissen, als es wieder mal eine schlimme Auseinandersetzung mit meinem Vater gab. Wie du weißt, hatte er ja immer zu viel getrunken und ist dann oft gewalttätig geworden. Meine Mutter ist übrigens schon bei der Geburt von mir und meinem Zwillingsbruder gestorben, also mussten wir drei Geschwister alleine damit fertig werden.“ Bernd nickte verstehend und hielt an einer Raststätte für eine Raucherpause an.
 

Wir zündeten uns eine Zigarette an und Bernd meinte, dass er den Rest meiner Geschichte ja schon kannte. „Ich werde alles tun, was nötig ist, um deine rechte Hand zu werden“, sagte ich ernst. Bernd lachte auf und verbesserte mich: „Du meinst wohl, um meinen Platz einzunehmen“. Dann drückte er die Zigarette aus, klopfte mir auf die Schulter und wir fuhren weiter. Den Rest der Fahrt war ich sehr in Gedanken versunken. Ich hoffte, dass der HIV-Test wirklich negativ war und dass ich noch die Chance hatte, meinen Traum zu erfüllen.
 

Nach einer langen Fahrt kamen wir in Bayern an. Wir checkten wieder in einem Hotel ein, aßen zu Mittag und machten uns direkt auf den Weg zum Bordell. Die Einrichtung dieses Bordells erinnerte mich sehr an die aus Berlin, auch wenn sie nicht ganz so prunkvoll war, aber dadurch fühlte ich mich sofort wohl. Auch hier studierten wir die Akten der Angestellten und es war eine Frau dabei, die schon länger keine Tests mehr machen lassen hatte. Bernd wurde sofort wütend und verlangte von der Leiterin, sie ins Büro zu schicken. Nach einer Weile betrat eine dunkelhaarige Frau im mittleren Alter das Büro. Bernd fragte im ernsten und bedrohlichen Tonfall, wieso das so lange gedauert hat. „Ich hatte noch einen Kunden“, antwortete die Frau kleinlaut und spielte nervös mit einer Haarsträhne. „Kannst du mir sagen, warum du die Tests mehrere Wochen ausgelassen hast?“, fragte Bernd nach und hatte dabei einen durchbohrenden Blick aufgesetzt. Die Frau zögerte einen Moment und antwortete dann: „Ohhh, das war mir gar nicht bewusst. Das muss mir wohl durchgerutscht sein. Ich habe zwei kleine Kinder und habe deshalb immer viel um die Ohren. Es tut mir leid und es wird nicht wieder vorkommen." In diesem Moment dachte ich, ob Bernd nicht zu hart reagiert hatte und dass mir das in so einer Situation vielleicht auch passiert wäre, aber dann wurde Bernd erst richtig sauer und sagte wütend: „Wie kannst du es wagen, mich anzulügen, die Tests werden hier von allen Angestellten gleichzeitig durchgeführt. Du kannst es unmöglich vergessen haben und das weiß ich, weil ich diese Regeln aufgestellt habe“. Die Frau fing stark an zu weinen und sagte mit zitternder Stimme, dass sie sich mit Hepatitis C angesteckt hatte, aber den Job zum Überleben brauchen würde. Bernd hatte sich wieder ein bisschen beruhigt. Dann sagte er mit ruhiger und kalter Stimme: „Du kannst deine Sachen packen, deine Papiere schicken wir dir nach Hause und deinen restlichen Lohn überweisen wir dir auf dein Konto. Das wär’s von meiner Seite aus, sie können jetzt gehen“. „Aber meine Kinder…“, fing die Frau an zu erwidern, als Bernd ihr ins Wort fiel und sagte: „Und was ist mit den Familien, die jetzt deinetwegen vielleicht Hepatitis haben? Ich sage es jetzt zum letzten Mal, verschwinde, oder soll ich die Polizei rufen?“ Selbst ich war auf meinem Stuhl zusammengezuckt und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
 

Weinend verließ die Frau das Büro und Bernd meinte zu mir, dass der Job als Chef nicht immer nur schön sei.
 

An diesem Abend rief ich sofort Luca an, als ich im Hotelzimmer war und erzählte ihm von dem Vorfall mit der Frau und natürlich von der Abendschule. „Ich habe mir schon gedacht, dass so etwas mal auf dich zukommt“, sagte er und meinte, dass ich das schon schaffen würde. Danach telefonierten wir noch eine ganze Weile und verabschiedeten uns dann mit einem herzlichen „ich liebe dich“. Kaum zu glauben, dass wir erst seit 2 Tagen getrennt waren, für mich fühlte es sich schon wie eine Ewigkeit an…



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