24.05.2025 - Zweig
“Was ist das?” Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah Valentin auf den großen Stock, der vor der Haustür im Garten lag, bevor sein Blick zu seiner Frau huschte. Cecilia war gerade erst von ihrer täglichen Runde im Wald mit ihrem Familienhund angekommen und jetzt lag dieser Ast im Garten, als hätte er da schon immer hingehört.
“Ein Zweig, sieht man doch”, erwiderte Cecilia und Valentins Augenbraue hob sich direkt noch ein Stück höher.
“Das ist ein halber Ast, aber kein Zweig. Wenn nicht sogar ein Brett”, entgegnete er und sah erneut auf das große Stück Holz mitten im Garten.
Kaum merklich zuckte Cecilia mit den Schultern und ging in die Hocke, um ihrem Hund durch das Fell zu streichen. Der Vierbeiner saß zu ihren Füßen und hechelte mit heraushängender Zunge. “Artus wollte den Zweig unbedingt mitnehmen, wie hätte ich ihn da einfach liegen lassen können?”, wollte Cecilia wissen und ihr Blick war fast genauso treudoof wie der ihres Vierbeiners.
“Und was sollen wir damit machen? Er kann ja wohl schlecht hier im Garten liegen bleiben?”
“Wieso nicht? Was spricht denn dagegen?”
Nur einen Seufzen deutete Valentin durch den Garten. “Weil unserer Garten kein Wald ist. Du hast vorgestern erst einen Stock mitgebracht, weil Artus ihn unbedingt wollte. Ich verstehe einfach nicht, was du mir all den Ästen und Zweigen willst”, sprach Valentin das aus, was ihn schon länger beschäftigte.
“Ein Baumhaus bauen, für .. unser Kind”, glitt es leise über Cecilia's Lippen und Valentin stockte sofort. Im letzten Jahr hatten sie ihr kleines Mädchen durch einen Unfall verloren und seitdem hatten sie das Thema Kinder nie wieder angesprochen und Valentin war sich nicht einmal sicher, ob er selbst für das Thema überhaupt bereit gewesen war.
“Du willst .. noch ein weiteres Kind?”, wiederholte er die Worte seiner Freundin und als Cecilia langsam nickte, trat er sofort auf sie zu, um sie in seine Arme zu schließen.
“Wenn du das wirklich willst und wenn es geklappt hat, dann baue ich uns aber ein richtiges Baumhaus. Nicht mit diesen Zweigen da, die überlassen wir dann doch lieber Artus”, sprach er sanft und hauchte seiner Freundin einen liebevollen Kuss auf die Lippen.
“Willst du denn auch .. willst du denn überhaupt noch ein Kind?”, hörte er schließlich die zaghafte Stimme seiner Freundin, die ihn sofort nicken ließ.
“Natürlich will ich das. Und unser kleiner Engel Lucy wird immer auf uns hier unten abgeben”, flüsterte er leise, woraufhin sich Cecilia nur noch enger in seine Arme schmiegte. Das bedurfte keinerlei Worte, aber sie wusste, dass sie in Zukunft mit weniger Zweigen und Ästen nach Hause kommen würde. Und wenn doch, dann wirklich nur welchen, die für Artus geeignet waren.
