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Immortal

von

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Traumdeuter

   ~SAPHIRA~

   Schwärze. Die selbe undurchdringbare Schwärze, die mir schon im Traum der letzten Nacht begegnet war. Dass es ein Traum war wurde mir sofort klar, denn obwohl es stockfinster war spürte ich, dass ich schwebte. Worüber war mir nicht bewusst, aber ich konnte keinen Boden unter meinen Füßen fühlen. Aber wo war ich? Nirgends sah ich Licht oder sonst einen Anhaltspunkt mit dessen Hilfe ich aus dieser Dunkelheit verschwinden könnte. Zögerlich streckte ich die Arme aus und schwebte ein Stückchen nach vorne, immer in Bedacht darauf nicht gegen irgendetwas zu laufen. Oder zu schweben... Plötzlich fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Fuß und leise fluchte ich auf. Wogegen war ich gerade gestoßen? Langsam beugte  ich mich nach unten um nach dem Unbekannten zu greifen. Da ertastete ich auf einmal ein nasses kaltes Etwas und wich mit einem leisen Aufschrei des Entsetzens zurück. Feigling, schallt ich mich und lehnte mich erneut dem nicht sichtbaren Ding zu.

   Wieder bemerkte ich, dass es feucht und kalt war, aber es war kein Tier wie zuerst befürchtet hatte, die dünnen Rillen und die Struktur des Materials ließen darauf schließen, dass es sich um etwas steinernes handelte und als ich weiter tastete und es immer dünner wurde und letztendlich in einer Spitze endete wurde mir etwas klar. Ein Stalagmit!, dachte ich. Ich bin in einer Höhle oder irgendwo in einem unterirdischen Gang! Na das war ja schon mal ein Anfang! Behutsam griff ich nach oben, auf der Suche nach einem Stalaktit und als ich einen gefunden hatte hangelte ich mich weiter durch die Finsternis. Ein komischer Traum..., dachte ich. Irgendwie fühlt es sich alles so realistisch an...

   Auf einmal hörte ich hinter mir scharrende Schritte und leises Geflüster und fuhr erschrocken herum. „Wer ist da?“, versuchte ich zu fragen, doch als ich meinen Mund öffnete kam kein Wort heraus. Was ist hier los?, fragte ich mich panisch, als ich bemerkte, dass die Stimmen lauter wurden und auf mich zukamen. Ich schwebte an den Rand des Ganges und versteckte mich hinter einem Stalagmit und einem Stalaktit, die schon so lang waren, dass sie einander berührten und so eine Säule bildeten.

   Mit klopfendem Herzen wartete ich darauf, dass sich die Stimmen näherten und plötzlich erkannte ich, ein Stück von mir entfernt, drei Lichter auf mich zukommen.

 „Seltsam...“, langsam verstand ich, was die drei Personen sagten. „irgendwo muss dieser Tunnel doch enden...“, meinte die erste Stimme drängend.

„Vielleicht ist das ja eine Sackgasse!“, antwortete eine andere mürrisch.

„Ich bin mir aber sicher“, überlegte die Dritte. „dass ich hier schon war! Wir müssen richtig sein! Bald wird sich der Fels vor unseren Augen teilen und dahinter liegt die Höhle.“

„Das ist doch total absurd!“ Die Stimmen kamen näher und ich hörte- und sah- dass es drei Mädchen waren, die sich mir näherten. „Wir folgen einem Traum, den wir zufällig alle drei hatten, das glaubt uns doch kein Mensch!“, fluchte die zweite Stimme.

„Du hattest auch nicht  geglaubt, dass ein Gang hinter dem Wasserfall ist, Vivi! Und trotzdem haben wir einen gefunden und den kennen wir auch nur durch Saphs Traum!“ Saph? Vivi? Ist die andere... Gigi? Warum sind die beiden in meinem Traum? Und wo zur Hölle sind wir?

„Ach komm, das kann auch Zufall gewesen sein!“, zischte Vivi verstimmt. Die drei waren nun so nah, dass ich Vivis Lockenkopf, Gigis pinkes Pailletten Oberteil und meine funkelnden Augen erkennen konnte.

„Ich glaube es ist Schicksal!“, murmelte mein Traum- Ich. „Ich glaube, wir sollen hier durch, wir haben eine Aufgabe! Da bin ich mir sicher!“

„Wie du meinst...“, antworteten die anderen einheitlich.

Still liefen sie weiter und ich folgte ihnen, ich war so in Gedanken gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sie an mir vorbeigelaufen waren und schwebte ein bisschen schneller, um ihr Licht in der Dunkelheit nicht zu verlieren. 

Ein Weilchen gingen -oder schwebten- wir weiter, als urplötzlich die drei unter mir stehen blieben.

„Ich hab’s doch gesagt!“, murrte Vivi. „Eine Sackgasse! Jetzt müssen wir den ganzen Weg durch die Dunkelheit zurück!“ Schimpfend wand sie sich den anderen zu. „Kommt! Gehen wir zurück!“ Sie zerrte die beiden mit sich und ich schwebte einen Moment unschlüssig herum. Was sollte ich jetzt machen?

„Warte!“, hörte ich meine eigene Stimme rufen und begriff, dass es die Saphira unter mir war. „Ich möchte die Wand untersuchen! Erinnert ihr euch, am Anfang der Höhle waren doch irgendwelche Schriftzeichen, vielleicht können die uns ja helfen! Vielleicht waren sie ein Wegweiser!“

„Und was bringen uns die Zeichen, wenn sie am Anfang der Höhle waren, Fräulein Schlau? Dann müssen wir den ganzen Mist trotzdem zurücklaufen!“, schimpfte Vivi weiter. „Außerdem...“ Die Traum Saphira hielt ihr ihr Handy unter die Nase. „Was ist damit?“, fragte Vivi verwirrt.

„Ich hab die Schriftzeichen fotografiert“, erklärte mein Double sachlich.

Perplex starrte sie das Handy an. Gigi neben ihr schlug sich die Hand auf den Mund und prustete dahinter hervor: „Sehr gut, Saph! Du denkst mehr mit als Locke und ich zusammen!“ Sie grinste und wuschelte mir -also meinem Traum-Ich- über den Kopf. War sie wirklich soviel größer als ich, war mir nicht aufgefallen... Allerdings kannten wir uns auch maximal zwei Stunden...

Auf einmal wurde alles schwarz. Was ist hier los?, wollte ich schreien. Wo sind die anderen?

Plötzlich hörte ich eine Stimme murmeln: „Hallo Saphira! So schnell sieht man sich also wieder!“ Die Stimme lachte und da erkannte ich, wer hinter dieser Stimme steckte: Das Mädchen aus dem Traum der Vornacht!

„Wer bist du?“, rief ich in die Dunkelheit. „Und warum träume ich schon wieder von dir?“

Auf einmal lichtete sich die Dunkelheit und ich sah wieder das Mädchen aus dem letzten Traum, doch anders, als in der vergangenen Nacht konnte ich  nun auch etwas von meiner Umgebung erkennen. Wir befanden uns immer noch unter der Erde in einer großen Höhle. Überall befanden sich Stalaktiten und Stalagmiten, die teils zu Säulen verwachsen waren. Sie ähnelten denen, die ich im Gang gesehen hatte, doch anders, als die schienen diese von innen heraus zustrahlen, und ihr bläulicher Glanz ließ die Höhle in einem kalten Licht erstahlen.

Doch was ich noch viel faszinierender fand, waren die Blumen, die sich um sie und an sich in der ganzen Höhle wucherten. Sie waren ebenfalls bläulich, doch das war es nicht, was mich an ihnen faszinierte, es schien nämlich, als würden sie aus Edelsteinen bestehen. Aus Bergkristallen und Saphiren, die das wenige Licht in der Höhle reflektierten und so überall kleine tanzende Lichtsprenkel hin warfen. Es war wunderschön.

Irgendwo in meinem Kopf meldete sich meine Innere Stimme, die sich wunderte, wie denn in einer Höhle so viele Blumen wachsen können, doch ich ignorierte sie einfach und starrte nur mit offenem Mund in die Höhle.

Plötzlich bemerkte ich, dass das blonde Mädchen mir noch gar keine Antwort auf meine Fragen gegeben hatte. Ich wand meine Konzentration wieder ihr zu und beschwerte mich darüber.

Sie lachte. „Wer ich bin, liebe Saphira, das kann ich dir noch nicht sagen, nicht jetzt, wenn doch alles so schwer ist...“

Verwirrt hob ich die Augenbrauen. „Was meinst du damit?“

„Auch das kann ich dir nicht sagen, aber zumindest auf eine deiner Fragen möchte ich dir antworten! Die Träume, in denen wir uns begegnen, sind keine gewöhnlichen! Es sind Prophezeiungen!“

„Bitte?“, ich verstand immer weniger.

„Ich nehme durch deine Träume direkten Kontakt zu dir auf, spreche mit dir, zeige dir die Bilder, die ich dich sehen lassen möchte.“ Wie auf ein Signal verschwand für einen kurzen Moment die Szenerie und vor meinen Augen leuchtete ein Bild eines großen schäumenden Wasserfalls auf.

„Dort hin müssen du und deine Freundinnen um mich zu finden! Ich brauche eure Hilfe!“, ertönte ihre Stimme flehend und das bild verschwand.

Plötzlich war sie mir näher als davor und dicke runde Tränen quellten aus ihren großen roten Augen hinaus. Erschrocken wich ich ein Stück von ihr weg. „Wovon redest du? Welche Freundinnen meinst du? Womit sollen wir dir helfen?“, fragte ich, doch der Träum löste sich langsam auf und ich spürte, wie ich langsam aufwachte.

Nur noch am Rande hörte ich wie sie leise murmelte: „Unitas et Individuum, solis et luna et vita...“

 Dann war sie verschwunden. 
 

~GIGI~

„Ich teile euch jetzt die letzen Zettel für unseren Ausflug aus. Auf denen steht, was ihr mitbringen müsst, wann wir uns treffen und...“, aber weiter kam Ms Sting nicht, denn alle brachen wie auf ein Zeichen in lautstarke Gespräche aus.

„Das ist so cool!“, wand sich Vivi vor mir zu Saph, die neben ihr saß. Wir hatten es geschafft unsere Klassenlehrerin, die nun etwas hilflos an ihrem Tisch lehnte, zu überreden, dass sich Saph neben Vivi setztem konnte. Eigentlich war es ja meine Idee gewesen, dass sie zu uns kommt, aber irgendwie bin ich meinen Sitznachbarn nicht losgeworden... Naja, immerhin hatten wir es geschafft, dass wir zusammen sitzen konnten, an die Nähe zum Freak war ich ja schon gewöhnt und Saphira schien echt nett...

„Was denn?“, fragte sie Saphira leise.

„Na dass wir nächste Woche schon zelten fahren! Du kannst dich freuen, du bist erst so kurze Zeit da und schon fahren wir weg, ist das nicht klasse?“, grinste Vivi.

Ich stöhnte genervt auf. Der einzige Haken an unserem Ausflug war das Ziel: wir fuhren zelten.

Zelten. Das bedeutet harter Boden, kaltes Wasser, stinkende Kleidung und... fehlende Toiletten und das entsprach so gar nicht meiner Vorstellung eines netten Klassenausfluges.

„Na Barbie, was stöhnst du so? Zelten is wohl nicht so deins, ne?“, Vivi lächelte mich provozierend an. „Hast wohl Sorge, dass du dir nen Fingernagel abbrechen könntest, oder? Du bist so richtig typisch Cheerleader, weißt du das?“ Sie lachte und entblößte dabei ihre vielen Zähne, die mich, so grade und spitz wie sie waren, wieder einmal an Vampirzähne erinnerten.

Ich schluckte. Hatte sie meine Gedanken gelesen? Aber jetzt zuzugeben, dass sie recht hatte, schien mir als... nicht gerade erstrebenswert, also setzte ich mein bestes Cheerleading- Lächeln auf und säuselte fröhlich: „Nee Locke“, imitierte ich ihren Ton. „Ich freue mich eigentlich schon total auf unseren Trip, aber ich hab mir grad vorgestellt, dass ich bei meinem Glück sicher mit dir in einem Zelt schlafen muss, da reagiert mein Körper irgendwie automatisch so angeätzt...“

Fassungslos starrte Vivi mich an und Saphira biss sich auf die Lippen, aber am Zittern ihrer Schultern bemerkte ich, dass sie kurz vor einem Lachanfall stand. Hehe, eins zu null für mich, Freak!   „Solltest du als Klassen- und Schulsprecherin nicht deiner Pflicht nachgehen und in der Klasse für Ruhe sorgen?“, keifte Vivi zurück und drehte mir demonstrativ den Rücken zu.

Achselzuckend beschloss ich einmal ihrem Rat nachzugehen und erhob mich langsam von meinem Platz. „Leute!“, rief ich in das Getöse. „Ru-he!“ Einen Moment starrten alle mich an, aber dann verstummten die Gespräche zum großen Teil, nur noch vereinzeltes Flüstern war zu hören. Ms Sting lächelte mir dankbar zu und ich quittierte ihre Geste nur mit einem leichten Nicken. Sie sollte als Lehrerin schon ihre Klasse in Zaum halten können!

„Also wie gesagt, auf dem Zettel steht, was ihr alles mitbringen müsst und worüber eure Eltern euch belehren müssen. Bitte bringt ihn ausgefüllt bis Donnerstag mit, und zwar unbedingt dann, schließlich fahren wir schon am Montag los!“, sagte Ms Sting, aber da ertönte die Klingel. „In Ordnung, ihr könnt jetzt gehen, Homeroom ist für heute beendet“, verabschiedete sie uns und fing an ihre Sachen zusammenzupacken.

„Mann... Ich dachte, die will uns noch ewig die Ohren zuquatschen...“, stöhnte Vivi entnervt.

„Aber sie hat doch nur ganz kurz geredet, den Rest der Zeit... ist sie ja kaum dazu gekommen“, erwiderte Saphira verwirrt.

Ich beugte mich nach vorne. „Glaub mir, Saph, eine Stunde mit ihr reicht, dann bist du froh, sie eine Woche lang nicht mehr an der Backe zu haben“, lachte ich. „Sie ist furchtbar! Langweilig und ohne jedes Durchsetzungsvermögen, schrecklich!“

Saphira schüttelte ungläubig den Kopf. „Die arme Lehrerin, ist das nicht ganz schön gemein von euch?“, fragte sie enttäuscht.

Vivi starrte sie überrascht an. „Du hast sie doch auch gehört, bist du nicht auch halb weggepennt?“

„Doch schon...“, murmelte sie.

„Siehste!“, meinte ich und stupste sie an der Schulter. „So, Diskussion beendet, sie ist lahm und damit basta! Und ich hab Hunger und zwar auf Pasta!“ Ich lachte. „Das reimt sich sogar, also jetzt los, oder ich beiße in meinen Tisch!“

Ich zog die beiden von ihren Stühlen und wir gingen in Richtung Mensa. Eine richtige kleine Clique waren wir, auch wenn der Freak dazu gehörte...

 

„Ich hasse Mathe!“, klagte Vivi uns streckte sich auf ihrem Platz auf dem Boden aus. „Warum müssen wir so einen Mist überhaupt lernen?“

Wir hatten uns am Samstag vor unserem Camping- Trip bei mir zu Hause verabredet, um gemeinsam für die Mathe Prüfung nach dem Ausflug zu lernen.

„Tja, nicht jedem kann Mathe so leicht fallen wir mir!“, grinste ich sie an und presste mir dabei meinen Block an die Brust, sie musste ja nicht wissen, dass ich genauso wenig hatte wie sie.

„Zeig ma!“, sagte sie, erhob sich vom Boden und ging zu mir.

Ich presste den Block noch fester an mich und fauchte: „Vergiss es, du schreibst doch eh nur bei mir ab, nie im Leben!“

Einen Moment blickte Vivi mich fragend an, dann fing sie an zu kichern: „Du hast maximal so viel wie ich, ne Blondie? Du hast nämlich wirklich nichts in der Birne!“

„Ach sei doch leise!“, fauchte ich mit hochrotem Kopf, um zu verdecken, wie unangenehm mir die ganze Sache war fragte ich Saphira: „He Saph, wie viel hast du?“

Erschrocken blickte sie von ihrem Blatt auf, so als hätte ich sie aus dem Schlaf gerissen. „Was hast du gesagt?“, fragte sie verwundert.

Ich seufzte. „Ich hab gefragt wie viel du hast. Mensch Saphira, was ist heute mit dir los, du bist so abwesend“, schnaubte ich ärgerlich.

Beschämt blickte sie zu Boden und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, ich schafe in letzter zeit so schlecht und habe so komische Träume...“, sie umschloß ihre Knie mit den Armen und legte ihren Kopf darauf ab. „Ich bin wohl einfach ein Wenig übermüdet...“

„Seltsame Träume?“, Vivi robbte interssiert näher an Saphira. „Erzähl mal!“

„Willst du dich etwa als Traumdeuterin versuchen, Locke?“, fragte ich spöttisch, doch da fiel mir wieder mein eigener Traum ein, und dass Vivi anscheinend einen sehr ähnlichen geträumt hatte. Und jetzt klagte auch noch Saph über irgendwelche wirren Träume, was ist hier los?

„Sei leise, Blondie, du nervst!“, fauchte Locke zurück. „Also, was ist jetzt, Saph? Wovon träumst du, was dich so erschöpft?“

Und dann erzählte Saphira. Davon, dass sie in der ersten Nacht einem unheimlichen Mädchen begegnet war, die sie zu kennen schien, aber die Saph noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Sie erzählte von ihren weiteren Träumen, in denen wir vorkamen, in denen wir zusammen durch dunkle Tunnel liefen und wieder und wieder auf dieses Mädchen trafen.

Vivi und ich, die am Anfang noch Fragen gestellt hatten waren still geworden. Saphiras Geschichte deckte sich so sehr mit meinem eigenen Traum, war das ein Zufall?

„Und deshalb schlafe ich in letzter Zeit so schlecht, weil ich nicht weiß, wie und ob ich diesem Mädchen helfen kann...“, schloss sie seufzend.

Einige Momente saßen wir nur stumm da. Es war einfach unglaublich, dass sich Saphiras Geschichte in so vielen Punkten mit dem Traum deckte, den ich neulich gehabt hatte. Verwirrt kratzte ich mich an meinem Kopf. So etwas sollte doch eigentlich unmöglich sein. Oder?

Vivi war die erste, die sich wieder halbwegs gefangen hatte. „Das ist... ja irre!“, keuchte sie.

Saphira blickte betreten zu Boden. „Du glaubst also, dass es totaler Schwachsinn ist, was ich euch erzähle...?“

„Ach Quatsch!“, winkte Vivi ab. „Das meine ich doch nicht! Ich finde es so verrückt, weil ich vor kurzem fast den selben Traum gehabt habe!“

Saphiras Augen wurden groß und sie beugte sich näher an Vivi. „Is nicht wahr! Du hattest den selben Traum wie ich?“, rief sie aufgeregt.

Ich räusperte mich geräuschvoll und beide blickten zu mir auf. „Ich dachte ich melde mich auch mal zu Wort!“, begann ich.

„Wenn du dich jetzt über mich lustig machen willst, Blondie, dann fliegst du achtkantig raus, nur dass du es weißt!“, fauchte der Freak.

Spöttisch legte ich den Kopf schief und lachte höhnisch auf. „Erstens, Locke, ist das mein Zuhause und zweitens...“ Ich atmete geräuschvoll aus. „Hatte ich genau wie du so einen ähnlichen Traum.“ Ich zögerte. „In der Nacht, bevor du zu uns kamst, Saph!“

„In der selben Nacht hab ich auch das erste mal von ihr geträumt!“, rief Saphira und hüpfte auf ihrem Sitzkissen auf und ab.

Vivi rieb sich nachdenklich das Kinn. „Sehr seltsam... Ich hab am Morgen, an dem du zu uns kamst, auch von ihr geträumt...“

„Warum denn am Morgen, Psycho?“, fragte ich spöttisch. „Wieder okkulte Spielchen getrieben?“  Ich lachte auf.

Ihr Gesicht verdunkelte sich und sie antwortete mir mit eiskalter Stimme. „Gezockt, Blondie. Ich habe gezockt“

Ich zog eine Augenbraue hoch, als ob das besser sei. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, sagte Saphira: „Was sollen wir jetzt machen? Das ist doch einfach nur seltsam!“

Wir blickten uns wieder still an, jede in ihren eigenen Gedanken. Plötzlich sprang Vivi laut fluchend auf.

„Was ist denn los?“, fragte Saph überrascht.

„Ich hab total vergessen, dass ich um halb acht zu Hause sein muss, verdammt!“, schrie der Lockenkopf und wirbelte in meinem Zimmer umher und schnappte nach ihren Sachen, warf sie in ihren Rucksack und riss sehr unsanft an dem Reißverschluss.

Jetzt sprang auch Saphira auf. „Wie spät ist es denn?“, rief sie aufgeregt.

Ich holte mein Handy aus meiner Rocktasche. „Acht, warum?“, antwortete ich.

Ihr Gesicht wurde kreidebleich. „Ich hab meinen Eltern gesagt, dass ich um sieben wieder da bin... Sie sterben sicher vor Angst!“ Auch sie kramte jetzt ihr Sachen zusammen. „Ich muss jetzt sofort los“, murmelte sie.

„Ja, aber was ist mit unserem Traum?“, fragte ich.

Vivi, die schon in der Tür stand legte den Kopf schief. „Lass uns am Montag weiter reden, okay? Also dann, bye bye, den Weg finde ich alleine raus!“ Sie winkte Saphira ran. „Kommst du, Saph, ich setzt dich zu Hause ab!“

Angesprochene nickte und winkte mir zum Abschied noch zu. „Tschüß, Gigi! Es war lustig bei dir!“ Fehlte nur noch, dass sie sich verbeugte.

Ich winkte ab. „Jetzt geht schon, ihr bekommt sonst noch mehr Ärger!“ Ich scheuchte sie mit einer Handbewegung aus meinem Zimmer und sie schlossen die Tür hinter sich.  

Langsam ging ich zu meinem Fenster und beobachtete die beiden, wie sie die Straße entlang rannten.

 

Quälend langsam fuhr mein Laptop hoch. Dass wir alle drei den selben Traum hatten beschäftigte mich, also musste Google helfen.

Als mein Bildschirm sich öffnete klickte ich auf den Browser. Selber Traum mehrere Personen, gab ich in das Suchfeld ein, doch noch kurz bevor die Suchergebnisse angezeigt wurden, wurde der Bildschirm plötzlich schwarz.

„Verdammte...“, schimpfte ich und gab meinem Computer einen leichten Klaps. „Komm schon, Kleiner, das kann doch nicht dein ernst sein, oder?“, rief ich verzweifelt. Ich hasste Technik und war so froh, dass mein Laptop meistens nicht abstürzte, aber jetzt...

„Schatz, ist alles in Ordnung?“, rief meine Mutter vor meiner Tür. „Es gibt gleich Essen, kommst du bitte runter?“

„Ja, Mum, alles ok, bin gleich da!“ Ich klappte den Laptop härter als nötig zu und schnitt ihm eine Grimasse. Dann eben nach dem Essen.

Als ich die Treppe hinunter eilte kamen mir die fremdländischsten Gerüche entgegen. Ich schnupperte und folgte meiner Nase. „Mam, das riecht ja köstlich, was hast du dagekocht?“

Meine Mutter wand  sich vom Herd ab und lächelte mich an. „Dein Lieblingsessen, Schatz! Hähnchencurry mit Basmati- Reis!“ Sie schwenkte die Schöpfkelle in meine Richtung und ich schwebte zu ihr und kostete die rote Soße.

„Köstlich!“, schwärmte ich.

Meine Mutter lächelte mich glücklich an und meinte: „Deck doch schon mal den Tisch!“ Sie deutete auf einen Haufen mit Besteck, Tellern, Gläsern und Servietten, ich schnappte mir die Sachen und nachdem der Tisch vorbereitet war setzte ich mich erwartungsvoll hin.

Ächzend kam meine Mutter mit den zwei Töpfen um die Ecke. „Uff ist das schwer!“, keuchte sie, was so viel bedeutete wie: Jetzt hilf mir doch gefälligst mal!

Ich sprang auf. „Warte ich nehme dir einen ab!“ Ich griff nach dem Curry Topf und stöhnte unter dem Gewicht auf. Mit Schwung platzierte ich ihn auf dem Tisch und plumpste auf meinen Stuhl. Meine Mutter tat mir den duftenden Basmati- Reis auf und darüber eine große Schöpfkelle dampfendes Curry. Das Wasser lief mir im Mund zusammen, als ich die Köstlickeit auf meinem Teller erblickte.

Beherzt nahm ich mir einen großen Löffel und steckte ihn mir in den Mund. Er war ein Traum. Beflügelt nahm ich einen weiteren, als meine Mutter lächelnd sagte: „Wie schön, dass du und Violett wieder Freundinnen seid!“

Ich verschluckte mich an meinem Reis und hustete. Atemlos antwortete ich: „Wir... sind... doch keine... Freun... Freundinnen!“

Meine Mutter schlug mir auf den Rücken und langsam bekam ich wieder Luft. „Ach nein?“, sagte sie. „Ich dachte, weil sie doch heute da war. Mit diesem anderen Mächen, wie hieß sie noch mal? Rubinia?“

„Saphira“, nuschelte ich zwischen meinem Curry hervor. „Und Vivi war nur mit da, weil wir lernen wollten und sie sich selbst eingeladen hatte!“ Ich räusperte mich. Zum Teil, weil der Reis noch nicht ganz unten war, zum anderen, weil es mir nicht gefiel von Vivi als... Freundin zu sprechen. Diese Zeit war vorbei. „Wann kommt Papa wieder?“, fragte ich, um von mir abzulenken.

Die Augen meiner Mutter füllten sich fast augenblicklich, wie jedes Mal, wenn das Thema auf meinen Vater kam.

„Ni... nicht so wichtig!“, stammelte ich und tätschelte meiner Mutter die Schulter. Ich war grausam, ich brachte meine eigene Mutter zum weinen, nur damit sie mich in Ruhe ließ. Was war nur mit mir los?

 

~VIVI~

Müde schlug ich auf meinen Wecker. Verdammt, es konnte doch nicht schon sieben sein! Ich war so müde, ich hätte meinen Sailor Moon- Wecker am liebsten erwürgt.

Plötzlich stieg mir ein seltsamer Geruch in die Nase und alarmiert sprang ich aus meinem Bett, schlüpfte in meine Puschen und warf mir meinen Bademantel über.

„Mam?“, rief ich. „Mam, was ist los?“

Als keine Antwort kam stürmte ich aus meinem Zimmer, den Flur entlang und riss schwungvoll die Küchentür auf. Hier war der Gestank unerträglich und ich glaubte, irgendetwas qualmendes auf unserem Herd zu sehen.

Meine Mutter stand mit wedelnden Armen davor und versuchte den Qualm aus dem Fenster zu scheuchen, während mein Vater seelenruhig die Zeitung las.

„Verdammt, Mam!“, rief ich. „Was ist hier los?“

Mam drehte sich um und lächelte mich etwas hilflos an. „Morgen Schatz!“

Fassungslos deutete ich zwischen ihr und dem... etwas in der Pfanne hin und her. „Ich wiederhole: Was ist hier los?“

Meine Mutter biss sich auf die Unterlippe. „Ich hab ein neues Rezept ausprobiert und dabei... Naja...“

Ich blickte zu meinem Vater, der sich nicht von der Stelle rührte. „Und was ist mit ihm...?“, fragte ich.

Ahnungslos zuckte meine Mutter mit den Schultern. Ich ging zu meinem Vater und wedelte ihm vor den Augen herum, erst das schien ihn aus seiner Trance zu holen. „Wa... was ist los?“, rief er und als ihm der Qualmende Herd auffiel sprang er fluchend auf. „Verdammt, was habt ihr gemacht?“

Doch er lies meine Mutter gar nicht erst zu Wort kommen, rannte in die Vorratskammer und kam mit einem Feuerlöscher bewaffnet zurück. Mit einem Zischen gelangte der weiße Schaum auf die Überreste des... Dinges und löschten somit den letzten Qualm.

Einige Momente starrten wir fasziniert das Gemisch in der Pfanne an, als mein Vater das Wort ergriff. „Was genau sollte das werden, Mirinda?“, fragte er meine Mutter.

Mit großen Augen, die immer noch auf die Pfanne gerichtet waren antwortete sie leise: „Rührei, Schatz! Rührei...“

Verwundert runzelte ich die Stirn. Konnte man bei einem Rührei wirklich soviel falsch machen?

Nach dem wir unser Frühstück beendet hatten, in der stinkenden Küche, lief ich in mein Zimmer um meine Tasche und meine Luftmatratze zu holen. Nachdenklich betrachtete ich meine kleine Jack- Wolskin Reisetasche, die auf meinem Bett lag. Ohne Probleme hatte ich für jeden Tag ein neues T-shirt, zwei Hosen, meine Waschsachen und Schlafzeug da rein bekommen und sie war noch nicht mal voll... Verdammt, ich war schon eine Meisterin im Kofferpacken! Na da sollte Blondie sich mal eine Scheibe von abschneiden!

Als ich nämlich den Vorhof unserer Schule betrat, auf dem sich schon der Großteil meiner Mitschüler tummelte, stach Gigi augenblicklich aus der Menge heraus.

Nicht nur wegen ihrem monströsen Dutt, der sie gleich noch mal zwanzig Zentimeter größer wirken ließ, sondern auch wegen den zwei riesigen Reisetaschen, die um sie herum standen. Genervt verdrehte ich die Augen und lief zu ihr.

„Na Blondie, wieder den ganzen Kleiderschrank eingepackt?“, rief ich lachend. Erschrocken drehte sie sich um.

„Verdammt, Freak!“, fauchte sie. „Schleich dich nie wieder so an!“ Dann fiel ihr Blick auf mein sperrliches Gepäck und ihr Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. „Und damit willst du die nächste Woche überleben?“, fragte sie zynisch. „Willst du denn jeden Tag das selbe tragen?“

Ich beschloss die Frage zu ignorieren. „Freust du dich eigentlich schon auf den harten Boden?“, lächelte ich boshaft. „Und die Spinnen, die Fledermäuse, die Dachse, die...“

„Halt die Klappe!“, fuhr sie mich an und wand sich beleidigt ab.

Mein Lächeln wurde breiter. Leg dich nicht mit mir an, Gigi!

„Wo bleibt eigentlich Saph?“, fragte Gigi.

Ahnungslos zuckte ich mit den Schultern. „Kein Plan... Bestimmt hat sie wieder verschlafen, oder so“, mutmaßte ich.

„Wer hat verschlafen?“, ertönte es plötzlich hinter mir und eine Hand legte sich auf meine Schulter.

Mit einem Aufschrei schreckte ich zurück und starrte Saphira an, die fragend den Kopf schief gelegt hatte. „Verdammt, erschreck mich nicht so!“, kreischte ich. Oh, sh... Mein Blick wanderte zu Gigi die sich vor Lachen fast krümmte. Funkelnd blickte ich sie an.

„Hab ich was verpasst?“, fragte Saphira verwirrt.

Stumm schüttelte ich den Kopf, peinliche Sachen sollte man besser nicht verbreiten.

 

Spätestens als der Bus auf den Hof fuhr war auch bei dem letzten die Freude auf den Trip geweckt, sogar Gigi grinste wie ein Honigkuchenpferd.

„Her mit euren Koffern!“, brummte der übergewichtige Busfahrer gelangweilt.

Ich drängte mich an den anderen vorbei, die mich wütend zurecht wiesen, doch die genervten Rufe ignorierend drängelte ich weiter und gab dann grinsend dem nach Rauch stinkenden Mann meinen Koffer.

Fröhlich summend ging ich an Saphira und Gigi vorbei. „Reservier uns doch schon mal einen Platz!“, rief mir Saph zu. „Am besten auf der Rückbank!“

Und Gigi stimmte fröhlich zu. „Schließlich sitzen da immer die Coolen!“, lachte sie.

Ich runzelte die Stirn, Blondies gute Laune war echt unheimlich! Aber Saphs Idee war gar nicht so schlecht, also kämpfte ich mich mit Ellebogen zur Bustür durch, sprang hinein und lief zum anderen Ende des Reisebusses und lies mich zufrieden auf die Rückbank fallen.

„Jetzt kanns ja los gehen!“, seufzte ich zufrieden und kramte in meiner Tasche nach meiner Tüte britischen Weingummis.

„Ich weiß echt nicht, wie du das Zeugs essen kannst!“, hörte ich eine spöttische Stimme.

Ich blickte auf und sah in Gigis grinsendes Gesicht. „Mach mal Platz!“, wies sie mich an.

Saphira hinter ihr lächelte mich ebenfalls an. „Schön, dass das mit dem Platz geklappt hat! Ich freue mich schon auf die Fahrt!“

„Na dann kommt mal her!“, ihre gute Laune hatte mich angesteckt und ich nahm meine Tasche beiseite. „Weingummi?“, fragte ich Saph, als sie in der Mitte zwischen uns zu sitzen gekommen war.

Herzhaft griff sie in die Tüte und stopfte sich eine ganze Hand des klebrigen Süßkrams in den Mund. Mit vollen Wangen grinste sie uns an.

Ich konnte nicht anders, als loszuprusten. „Du siehst total dämlich aus, Saph!“, lachte ich.

Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Sofort beschwichtigte Gigi sie: „Aber niedlich dämlich!“, sagte sie und ich stimmte ihr nickend zu.

„Du siehst aus wie eine Krake!“, lachte ich.

Zweifelnd starrten die anderen mich an. „Wie... eine... Krake?“, fragte Gigi verwirrt. „Hat sie plötzlich noch mal sechs Arme mehr bekommen, oder was?“

Ich verdrehte die Augen und kuschelte mich in meinen Sitz, doch an ausruhen war nicht zu denken; es war ein reines Fest im Bus. Die Cola floss in Strömen, Chips- Tüten wurden herumgereicht, Lieder wurden laut –und falsch- gegrölt und es hätte nicht viel gefehlt, als das wir aufgestanden wären und getanzt hätten.

Die gute Laune hatte aber ein jähes Ende, als der Bus mit einer Vollbremsung hielt. Wir wurden in unseren Sicherheitsgurten nach vorne geschleudert und schnappten überrascht nach Luft. Von überall kamen Beschwerderufe.

„Warum halten wir?“, rief Gigi laut nach vorne.

Der Busfahrer erhob sich von seinem Sessel und trat in den Gang. Sofort wurde es mucksmäuschenstill im Bus. Wenn sich der Busfahrer von seinem Platz bequemt hat, dann muss etwas schlimmes passiert sein, oder es wird etwas schlimmes passieren, denn der Busfahrer rief mit seiner kratzigen Raucherstimme: „Wenn ihr die letzte halbe Stunde nicht die Klappe haltet dürft ihr den Rest des Weges laufen, verstanden?“

Alle starrten ihn aus großen Augen an. War das sein ernst? Und natürlich gab es wieder einen Idioten, der das testen wollte. „Das dürfen Sie gar nicht!“, plärrte Riccardo aus der Mitte. „Sie müssen uns zu unserem Zielort bringen!“

Das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Der Busfahrer baute sich vor dem Jungen auf und funkelte ihn aus eng zusammengekniffenen Augen an. „So, wenn du mir das nicht glaubst: Und wie ich das machen kann, da drüben ist die Tür und jetzt raus mit dir!“, rief er wütend.

Riccardo starrte ihn entgeistert an, doch da sprang Ms Sting dazwischen. „Entschuldigen Sie, Mr Norren!“, sprach sie den Fahrer an. „Unsere Klasse wird sich jetzt zivilisierter benehmen. Bitte fahren Sie uns doch noch bis zum Waldanfang!“ Sie lächelte ihn entschuldigend an und schüttelte den Kopf, so als wollte sie sagen: „Ich weiß, meine Klasse ist furchtbar, bitte, lassen Sie mich nicht mit diesen Verrückten alleine!“

Verständnisvoll nickte er, warf noch einmal einen strengen Blick in unsere Richtung und verschwand dann wieder auf seinen Platz. Mit einem lauten Gedröhne sprang der Bus an und setzte seine Fahrt fort.

Leider ohne weitere Orgien.



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