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Der Stein des Anstoßes

von

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Dorfrat

Am nächsten Morgen wurde Simon von heftigem Türklopfen unsanft aus seinem Schlaf geholt. Er fühlte sich wie gerädert. Schlaftrunken suchte er nach etwas zum anziehen. Tannin hatte sich ursprünglich auf den Matratzen zusammengerollt gehabt, doch nun sah er in Richtung Tür. Simon meinte eine leichte Beunruhigung von Tannins Seite zu spüren. Ihn beschlich ein übles Gefühl. Langsamer als sonst, begab er sich zur Tür. Ein Blick durch den Spion verriet Simon, das sich eine nicht grade kleine Anzahl von Dorfbewohnern vor seiner Tür eingefunden hatten. Er schluckte, denn sie sahen nicht danach aus, als ob sie eine freudige Botschaft überbringen wollten.

Langsam entriegelte Simon die Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Mit verstellt müdem Gesicht blickte er nach draußen und sprach mit schläfriger Stimme: "Was wollen sie zu solch früher Stunde?" - „Dir unsere Entscheidung mitteilen.“ Simon wollte nicht unfreundlich sein, obwohl ihm das um diese Uhrzeit überhaupt nicht passte. Er öffnete die Tür so weit, das die Leute eintreten konnten. „OK. Dann kommt doch rein.“ Doch die sechs, die vor seiner Tür standen zögerten. „Was ist denn?“ - „Dein Ding ist doch da drin, oder?“ - „Das ist kein Ding, sondern ein Drache und er heißt Tannin, und ja er ist hier.“ In Simon stieg wieder Ärger auf, bezeichnete die Tannin als Ding. Am liebsten hätte er ihnen die Tür vor der Nase wieder zugemacht. Die Männer rührten sich immer noch nicht.

„Das ich so was noch erleben darf. Mein Vater zittert vor Espenlaub und macht sich fast in die Hose vor Angst.“ Grinsend erschien Marco vor Simon und schlüpfte ohne Umschweife durch die geöffnete Tür. Einer der sechs Männer, der eigentlich ziemliche Ähnlichkeit mit Marco aufwies, wenn man mal davon absah, das er nur noch einen roten Haarkranz besaß, der eine Glatze einrahmte, und etwas gebeugt ging, hatte plötzlich einen hochroten Kopf bekommen und schrie nun so laut, das Simon schon befürchtete, das ganze Dorf könnte den Wutausbruch mitbekommen. „Marco komm sofort her. Warte erst, bis wir wieder daheim sind. Du wirst da nicht hinein gehen.“ - „Dann komm und hol mich doch wieder raus.“ Marco schaute durch die Tür und verschwand im Inneren. Innerlich grinste Simon. Er bewunderte diese Art von Dreistigkeit, die man sich doch nur als Kind leisten konnte. Aber wenigstens schien dies nun Erfolg bei den Erwachsenen zu haben. Denn sie setzten sich nun langsam in Bewegung und kamen näher. ‚Rudelbildung' dachte Simon.

Die sechs schienen sich nicht sonderlich wohl zu fühlen, oder wann sah man schon, das erwachsene Männer miteinander Händchen hielten. Sie drückten sich so durch die weit geöffnete Tür, das zwischen ihnen und Simon Abstand herrschte. Keiner gab die Hand zum obligatorischen Gruß. „Wo ist dieser Drache jetzt.“ Er schmächtiger, junger Mann, der als letzter durch die Tür trat, blickte Simon mit angstvollem Blick an. „Im Schlafzimmer, und er wird nicht herauskommen, wenn ich es nicht möchte.“ Damit schien der junge Mann etwas beruhigt und sie gingen gemeinsam ins Wohnzimmer.

Simon hatte gar nicht so viele Stühle, wie sich jetzt auf einmal Leute im Raum befanden. Doch da die meisten eh stehen blieben, um wahrscheinlich schnellstmöglich die Flucht ergreifen zu können, war die Sache nicht weiter problematisch.

„Wo ist mein Sohn!“ Marcos Vater, der mit Vornamen Georg hieß, so meinte sich Simon jedenfalls zu erinnern, das Marco mal diesen Namen im Bezug auf seinen Vater mal erwähnte, hatte in der Gruppe offensichtlich die Führung übernommen. Simon zuckte die Schulter. „Wahrscheinlich bei Tannin.“ Einigen der Männer verschlug es hörbar den Atem. „Ich möchte nicht, das er mit diesem Ding...diesem Drachen zusammen ist. Holen sie ihn sofort her.“ - „Dieser Drache, wie sie es nennen heißt Tannin, und es steht Marco frei zu kommen und zu gehen, wann er will. Sie können ihn ja holen gehen. Das Schlafzimmer ist den Gang runter links.“ Simon schwieg und schaute erwartungsvoll in die Runde. Keiner rührte sich und die Gesichtsfarbe von Marcos Vater war von rot auf weiß umgeschwenkt. „Schon gut.“ Simon seufzte. „Marco kommst du mal bitte her“, rief er durch den Flur. „Och menno.“

Es dauerte, bis Marco aus dem Schlafzimmer geschlendert kam. Die Haare waren noch mehr zerzaust, als vorher aber ansonsten war er unversehrt, was bei seinem Vater eine sichtbare Erleichterung hervorrief. Sofort zog er seinen Sohn zu einem nahegelegenen Stuhl und drückte ihn darauf nieder, dann positionierte er sich so, das er Marco beim Aufstehen hindern konnte, wenn er es wollte. „Geht es dir gut“, fragte er Marco in leisem Ton. Marco grinste seinen Vater an. „Natürlich.“ Simon sah sich die Gesichter der Anwesenden nacheinander an. Er kannte sie alle, und sei es nur von der Arbeit. In ihren Gesichtern spiegelte sich allerdings, was Simon sehr bedauerte, stellenweise die pure Angst wieder.

„Was gibt es nun so wichtiges, was ihr mir erzählen müsst.“ - „Es ist so“, gluckste der Bauer von nebenan herum: „Wir haben uns gestern Abend noch lange beraten und sind...“, er zögerte erneut. Marcos Vater ergriff das Wort: „Entweder dein Tannin verschwindet aus dem Dorf, oder du gehst mit ihm. Das ist jetzt nicht gegen dich, aber wir müssen auch an das Wohl unserer Kinder denken.“ Sein wütender Blick schien Simon regelrecht aufspießen zu wollen.

Mit einem erstickten Schrei fuhr Marco vom Stuhl hoch, wurde aber wieder hinuntergedrückt. Schweigen breitete sich in dem Raum aus. Mit bedauernder Miene sah Simon die Anwesenden an. „Wenn das wirklich euer Wunsch ist, dann werde ich das Dorf verlassen. Doch bitte ich euch um einige Zeit, damit ich mir eine neue Wohnung besorgen kann.“ Marcos Vater nickte nur. Er wandte sich ab, und zog seinen heftig protestierenden Sohn hinter sich her. Auch die anderen Anwesenden folgten ihm, nachdem sie Simon teils mitleidige und aber auch erleichterte Blicke zuwarfen. ‚Die Angst ist doch der stärkste Feind', dachte Simon bekümmert, als er die Tür ins Schloss fallen ließ.



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