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Herren der Drachen

von

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Jahre später

Anmerkung meinerseits vorweg: Das die Drachen mit einem mal Kursiv sprechen liegt daran, das Animexx der Ansicht ist, das ich ganz plötzlich und mit einem mal nicht mehr zwei Sorten von Anführungszeichen verwenden darf, also bitte nicht meckern.
 

Ayra streckte sich und setzte sich langsam auf. Verschlafen schaute sie nach rechts und links und dann dorthin, wo Tay lag und noch immer döste. Auch Thin war den warmen Sonnenstrahlen erlegen und schlief tief und fest unter den schützenden Flügel Azurithias.

„Thin, Tay, es wird Zeit“, wollte sie die beiden wecken, doch sie sprach nur leise und keiner hörte sie. Sie spielte einen Moment mit den Gedanken, lauter zu sprechen oder gar aufzustehen, doch Rubia stupste sie mit ihrer Schnauze an.

»Lass sie noch schlafen«, sagte sie leise und langsam nickte Ayra. Doch sie stand auf und streckte sich noch einmal.

„Lass uns irgendwohin gehen, ich kann jetzt nicht mehr schlafen“, erklärte sie und ging ein paar Schritte. Rubia schaute sie nachdenklich aus ihren blutroten Augen an, folgte dann aber langsam.

Wohin willst du gehen?, fragte die Drachin, während sie ihre mächtigen Schwingen sortierte. Sie war in den vergangen fünf Jahren riesig geworden.

„Ich weiß nicht… Ausschau halten, nach den Jungs“, überlegte Ayra und legte eine Hand auf Rubias mächtige Muskeln.

Sie sind aber keine „Jungs“ mehr, und dass du dich nach beiden sehnst glaube ich dir auch nicht, antwortete die und verzog ihre Schnauze zu einem Drachenlächeln.

„Ich habe nie behauptet, mich nach ihnen zu sehnen, aber ich will Lif endlich davon überzeugen, das es bessere Wege gibt, als Krieg“, antwortete Ayra und schnitt Rubia eine Grimasse.

Jeder Weg ist besser als dieser. Aber er hat schon versucht, andere Wege zu gehen und ist immer vor einer Mauer gelandet, die er nicht überwinden konnte, antwortete Rubia sanft.

„Ich weiß. Aber ich werde die Flügel sein, die ihn über eben diese Mauern tragen“, antwortete die junge Frau zuversichtlich. Rubia antwortete darauf zwar nicht mehr, aber ihr Blick sagte alles.

„Hör auf, mich anzusehen, als wäre ich zu jung, um zu verstehen, was ich von mir gebe“, brummte Ayra auch sogleich unwillig, „ich bin immerhin viel älter als du und habe entsprechend viel mehr Lebenserfahrung.“

Aber ich bin größer, und da du mich nicht dazu zwingen kannst, zu tun, was du willst, musst du dich wohl damit anfinden, konterte sie lächelnd. Dann blieb sie stehen und streckte einladend ihre Flügel aus. »Spring auf. Ich bring dich zu deinem Aussichtsplatz, damit du dort auf deinen Liebsten warten kannst.«

Ayra schaute sie böse an. „Er ist nicht mein Liebster!“

Nein, natürlich nicht, obwohl nicht einmal ein Hauch von Sarkasmus in der Stimme des Drachenmädchens war, erschien es Ayra dennoch so, als troff sie nur so vor Hohn. Doch sie ging nicht weiter darauf ein, stattdessen kletterte sie auf den Drachenrücken und ließ sich von Rubia in die Lüfte entführen.

Seitdem sie kräftig genug war, mit Ayra auf dem Rücken den Himmel zu erkunden, gab es keinen Tag, an dem sie nicht einmal geflogen waren. Sie liebten es, gemeinsam in das unendliche blau und weiß zu entschwinden und erst nach Stunden wieder die Fesseln der Erde anzulegen. Doch dieser Flug war nicht lang, Rubia kehrte lediglich zum Berg zurück und landete dann geschickt auf dem Rand des Drachenhortes.

Es war der höchste Punkt der Umgebung, von hier aus konnte man bis zum Horizont sehen. Bei gutem Wetter konnte man weit entfernte Hügel sehen, die sie beide aber bisher nicht hatten besuchen dürfen. Und dennoch kam es Ayra so vor, als würde es keinen Punkt auf dieser Welt geben, den sie noch nicht gesehen hatte, obwohl sie sehr genau wusste, dass dies nicht der Fall war. Sie setzte sich im Schneidersitz auf dem Boden und betrachtete verträumt die Wolken, die über ihr dahin schwebten.

„Meinst du, sie kommen heute wirklich?“, fragte sie langsam und lehnte sich an Rubia, die es sich hinter ihr bequem gemacht hatte.

Bisher hat Lif immer Wort gehalten, mach dir keine Gedanken um ihn, antwortete die und legte ihren Kopf auf den Boden nieder.

„Ich mach mir keine Sorgen um Lif“, knurrte Ayra böse, „er ist immerhin ein erwachsener Mann, er kann nun wirklich selbst auf sich aufpassen. Er ist nicht umsonst der Anführer der Rebellen!“

Ayra, brummte Rubia unwillig, mit deinem Gerede bestätigst du lediglich, das ich recht habe.

Die junge Frau atmete einmal tief ein, um abermals zu widersprechen, und stieß die Luft dann pfeifend wieder aus. Rubia hatte ja recht. Sie mochte Lif nicht nur sehr gerne, sondern sie bestätigte ziemlich eindeutig die Vermutung der Drachin, wenn sie immer so heftig reagierte. Also sagte sie nun nichts dazu. Stattdessen seufzte sie und schaute in den blauen Himmel auf, um zu sehen, ob irgendwo ein Schatten von der Ankunft ihrer besten Freunde kündete.

„Sag mal, Rubia, glaubst du nicht auch, dass es jenseits der Berge noch eine neue Welt gibt, in der wir vielleicht ohne Angst leben könnten?“, fragte sie nach einer Weile und schaute fragend ins Gesicht des Drachenmädchens.

Die gibt es auch, Smarada hat mir von ihr erzählt. Aber dort werden wir gewiss nicht ohne Angst leben können, denn sie ist noch viel grausamer, als diese Welt, antwortete Rubia ruhig, doch auch ihr Blick streifte voller Sehnsucht zum Horizont hinter den Bergen.

„Aber du hast diese andere Welt niemals gesehen, also kannst du dir genauso wenig sicher sein, wie ich. Ich weiß nicht viel mehr über Smarada, als an jenem Tag, als ich ihn das erste mal sah, also weiß ich auch nicht, wie richtig das ist, was er uns sagt. Aber ich weiß, dass ich mit eigenen Augen sehen muss, dass jene Welt so viel schrecklicher ist, um es glauben zu können“, erklärte sie nachdenklich.

„Da geht es mir genauso“, Tay war mit Amethysta ganz unbemerkt dazu gekommen. Langsam und sehr umsichtig ging er zu ihr und setzte sich neben ihr nieder, um sich dann ebenso selbstverständlich an Rubia zu lehnen, wie es Ayra tat. Seine Drachin legte sich hinter Rubia und legte ihren Kopf auf den Rücken der roten.

Ich weiß eine Menge mehr über ihn. Es sind Dinge, die nicht einmal Lif weiß, auch er kennt Smarada nur unwesentlich besser, als an ihrem ersten Tag. Nicht einmal den Namen hat er von dem Menschen erhalten, erklärte Rubia, doch Ayra wusste, das fragen und bitten nichts brachte. Sie würde dennoch nicht mehr sagen.

Doch es war auch einerlei, den am Himmel war ein Schatten erschienen. Sie wusste nicht, ob es die Ersehnten waren, oder irgendwer sonst, aber das brauchte sie auch nicht zu wissen, um aufgeregt aufzuspringen und auf den Schatten am Horizont zu deuten.

„Dort kommen sie, das könnten sie sein!“, rief sie auf.

„Stimmt, die Richtung stimmt auch. Lass uns im Hort auf sie warten“, antwortete Tay und stand auf, doch Rubia fauchte ihn böse an. Das Innere des Drachenhortes war ein Ort, an dem kein Mensch jemals etwas zu suchen hatte. Natürlich, sowohl Amethysta, als auch Rubia selbst hatten ihre Menschen schon mit dorthin genommen, aber das hatte Gründe gehabt, die wohl bloß die Drachen kannten.

„Schon gut, meine rote Prinzessin, das war ein Scherz“, lachte Tay und zwinkerte dem Drachenmädchen verschmitzt zu. Rubia war viel lebendiger und energischer als Amethysta, die sehr ruhig und empfindsam war, deswegen stänkerte er lieber mit Ayras roter Drachin herum, als mit seiner eigenen.

„Lass lieber solche Scherze, sie hat schlechte Laune“, bemerkte Ayra, und erhielt dafür einen bösen Blick. Doch sie ignorierte dies einfach, stattdessen kletterte sie auf Rubias Rücken und ohne etwas zu erfragen stieß sich die Drachin ab und schwebte elegant hinab in jene Höhle, in der sie das erste mal den Boden des Dorfes betraten.

Tay und Amethysta folgten nach kurzer Zeit. Sie brauchten nicht mehr lange warten, dann schwebte die grüne Gestalt Smaradas herein, dich gefolgt von Onyxa. Begleitet wurden sie von einem der Rebellen auf einem Topasbraunem Drachen. Sie wussten, dass er zu den Rebellen gehörte, aber seinen Namen kannten sie nicht.

Doch im Moment war das auch einerlei. Mit wenigen Schritten war Ayra bei Lif, kaum das der den Boden berührte, und umarmte ihn stürmisch.

„Lif, da bist du ja wieder!“, rief sie und stürzte zu Drake weiter, um ihn ebenso stürmisch zu begrüßen. Tay lachte und gab beiden Männern, mit einem einfachen „Willkommen zurück“, die Hand. Der dritte Neuankömmling blieb nicht lange, er rutschte nicht einmal vom Drachenrücken, sondern zischte Drake noch etwas zu und verschwand dann wieder.

Doch weder Tay noch Ayra störten sich daran, im Gegenteil. Sie sprachen schnell auf die beiden jungen Männer ein, um Neuigkeiten zu erfahren. Gerade Tay hatte schon lange nichts mehr von dem gehört, was sein Vater tat, und das machte ihn nervös. Er hatte immer gewusst, was der König als nächstes tun würde, jetzt ihm als Feind gegenüber zu stehen und dann nicht zu wissen, was zu tun war, war noch einmal ungleich schlimmer.

Doch weder Lif noch Drake antwortete ihnen, im Gegenteil. Schweigend und mit ernstem Blick ließen sie die Begrüßung über sich ergehen, um die beiden dann Kommentarlos in die Küche zu komplimentieren. Dort drücken sie die beiden auf ihre Plätze und setzten sich dazu.

„Wir haben sehr schlechte Neuigkeiten“, begann Drake ohne umschweife und sogleich verschwand alle Wiedersehensfreude, als wäre sie niemals da gewesen.

„Der König sammelt seine Truppen, wir wissen nicht genau, was er vor hat, aber es wird gegen die Stadt Kersian gehen, so viel konnten unsere Informanten herausfinden. Und er wir eine neue Waffe haben, von der wir bisher nichts wussten“, sprach Lif ernst weiter.

„Tay, wir groß waren seine Truppen damals?“, Drake schaute den Schwarzschopf ernst an. Der hatte die Nachricht vom kommenden Krieg allerdings noch gar nicht bewusst aufgenommen, und starrte den blonden daher nur abwesend an. Nur langsam trat die Frage in sein Bewusstsein und er überlegte einen Moment.

„Zu groß, als wenn wir gegen sie ankommen könnten“, antwortete er zögernd. Sogleich durchbohrte ihn Drakes misstrauischer Blick und er beeilte sich, seine Antwort zu erklären. „Vater hatte als ich ging schon riesige Truppen und es meldeten sich immer noch freiwillige. Und selbst wenn es keine Freiwilligen mehr gibt, wird er sie zwingen, wenn es nötig ist. Seine Truppen sind schier unerschöpflich.“

„Wir haben Drachen“, warf Lif ruhig ein, doch Tay schüttelte langsam den Kopf.

„Ja, aber die meisten Drachen werden sich nicht am Krieg beteiligen. Selbst Amethysta wäre schwer von der Notwendigkeit zu überzeugen, und sie tut fast alles, was Rubia und Smarada als Sinnvoll erachten. Natürlich, selbst wenn nicht alle Kämpfen sind sie doch schreckliche Wesen, wenn man sie als Feind hat, aber sie sind weder Unsterblich, noch unermüdlich. Irgendwann würden sie einfach nicht mehr weiter machen können, und dann hätten wir das, wofür wir Kämpfen, praktisch mit unseren eigenen Händen getötet“, antwortete Tay und schaute dabei Drake an, als würde er es ganz allein für ihn erläutern.

Drake wirkte darüber nicht begeistert, er schien das ganze anders zu sehen, doch Lif an seiner Seite nickte: „Genau so sehe ich das auch. Doch das heißt, das wir ein Kampf vermeiden müssen.“

„Was dann Kersian nicht gut bekommen würde“, sprach Ayra aus, was alle dachten. Abermals nickte Lif zustimmend, dann herrschte für einen Moment nachdenkliches Schweigen.

„Kersian ist zu wichtig, um es sich selbst zu überlassen, aber ein Kampf ist ausgeschlossen. Keine gute Ausgangsposition“, bemerkte Tay ernst.

„Nein, im Gegenteil. Wir haben auch keine Ahnung, wie der König erfahren konnte, das Kersian einer unserer Hauptstützpunkte ist“, Drake mussterte Tay so feindseelig, das man nicht Gedanken lesen können musste, um seine lesen zu können. Es war ein wenig so, als stünden sie mit Leuchtlettern auf seiner Stirn geschrieben. Fünf Jahre hatte noch lange nicht gereicht, um Drake alles vergessend zu machen, wer Tay war. Doch der ignorierte diese Feindseeligkeiten.

„Was hat es mit der Waffe auf sich, die du erwähnt hast“, versuchte Ayra an Lif gewandt das ganze auf anderes zu lenken, und es gelang, wenn auch nicht so, wie sie es sich wünschten, den Drakes Blick verdüsterte sich noch mehr und sein Blick wurde noch kälter.

„Das wissen wir nicht. Keiner weiß genaues darüber, nur das der König sie hat, und das sie stark sein soll. Es soll ein lebendes Wesen sein, und er soll es in seinem Kerker herangezüchtet…“, er konnte seinen Satz nicht beenden, denn Tay war aufgesprungen.

„Regenbogen!“, rief er und wirkte so erschrocken und verzweifelt, das alle drei ihn entsetzt anstarrten.

„Was?“, fragte Drake langsam. Tay blinzelte verwirrt, schaute den jungen Mann dann verwundert an, bevor er den Kopf schüttelte und sich hinsetzte.

„Nichts“, sagte er und verbarg das Gesicht in den Händen.

„Tay, wenn du etwas weißt, dann musst du es uns sagen“, meinte Lif eindringlich.

„Nein, ich… es ist… ich kann…“, Tay schüttelte heftig den Kopf, und stand wieder auf, um unruhig durch den Raum zu tigern.

„Tay?“, fragte Ayra vorsichtig.

„Ja, ich weiß“, antwortete er barsch, schüttelte dann heftig den Kopf.

„Erzähl es uns einfach. Was weißt du?“, Lif folgte mit seinen Augen, die nichts als Dunkelheit sahen, den Schritten des jungen Mannes.

„Das ist es ja. Eigentlich weiß ich nichts. Ich… ich hielt es für einen Traum, aber es ist Wirklichkeit, es ist so wirklich, wie wir!“, abermals schüttelte er ungeduldig den Kopf. „Es ist schwer zu erklären.“

„Erzähl es einfach. Wir werden es schon verstehen“, antwortete Lif. Mit einem mal viel Ayra auf, wie Erwachsen er eigentlich war.

Drake war zwar älter, doch Drake war hitzköpfig, stur und handelte oft vorschnell. Wenn er an etwas festhielt, dann konnte ihn niemand mehr vom Gegenteil überzeugen. Das hatte sie sehr verwundert, wenn sie hatte anfangs Drake als ruhig und bedacht kennen gelernt.

Dieses Wesen jedoch traf auf Lif ungleich mehr zu, der damit so eindeutig nach Dura schlug, wie es nur irgend möglich war. Ruhig, besonnen und vorausschauend.

„Ich… okay. Aber unterbrecht mich nicht, ich… spreche nicht gerne über das, was einmal war“, meinte er und die anderen nickten zustimmend. Tay ging noch einmal nervös auf und ab, lehnte sich dann gegen die Arbeitsfläche und schaute abwesend in den Raum.

„Es ist schon sehr lange her. Ich war noch sehr klein und ich… es… es war kurz danach. Ich konnte nicht schlafen, ich… hatte angst. Angst vor der Dunkelheit, die mich sonst immer beschützt hat. Ich… irgendwann bin ich aufgestanden und wollte einen Ort suchen, an dem ich mich nicht mehr so allein fühlte. Es… ich… alles war so dunkel, und von überall her hörte ich so seltsame Geräusche, doch ich hatte mehr angst davor, allein wieder in mein Bett zu gehen, als vor der Nacht. Ich… ging weiter, bis ich dann diesen entsetzlichen Schrei hörte. Ich glaube, ich habe vor Schrecken mit geschrieen, aber ich weiß es nicht mehr. Ich habe mich umgedreht und wollte wieder zurücklaufen, aber ich war noch so klein und in der Dunkelheit sah alles so… anders aus. Ich lief so schnell ich nur konnte, bis ich irgendwann vor einer Tür stand, von der ich glaubte, sie nie zuvor gesehen zu haben. Ich weiß nicht, was mich dort hielt, aber ich trat an diese Tür und wollte sie öffnen. Ich glaube, ich habe gehofft, dass ich dort Schutz finde, aber es ist einerlei. Ich konnte sie nicht öffnen, sie war verschlossen, aber ich ging dennoch nicht. Ich setzte mich vor die Tür und hörte, das ein andere Lebewesen dort hinter saß und genauso traurig und allein war, wie ich. Da habe ich angefangen, zu erzählen. Ich erzählt irgendetwas, nichts, was wichtig wäre, und was mir doch so lange schon das Herz zerdrückte. Ich… habe niemals eine Antwort erhalten, doch ich spürte, das es ebenso froh über meine Gesellschaft war, wie ich über seine, und das ihm meine Worte so unendlich viel bedeuteten. Irgendwann dämmerte der Morgen und ich schlich wieder in mein Zimmer zurück“, Tay stieß sich von der Arbeitsplatte ab und setzte sich etwas entfernt auf den Hocker, auf dem sie sich immer zum Kartoffelschälen setzten. Er starrte einen Augenblick tief in Gedanken versunken vor sich hin, bevor er es wagte, weiter zu sprechen.

„Ich erzählte niemandem davon, doch ich lief danach jede Nacht dorthin. Ich fand den Weg in der Dunkelheit immer und immer erwartete es mich und lauschte meinen Worten. Einmal habe ich durchs Schlüsselloch geblickt, da habe ich jedoch nichts sehen können. Hinter der Tür war es noch dunkler, als auf meiner Seite, da tat es mir noch viel mehr Leid. Aber ich konnte nichts anders tun, um es zu trösten, als jeden Abend aufs Neue hinzugehen und zu erzählen. Bis zu dem einen Abend. Ich ging früher hin, denn ich freute mich langsam auf die Nächte, die mir jemand zuhörte, und die ich nicht alleine war. Ich war ungeduldig, da war es mir egal, ob schon alle schlafen mochten. An diesem Abend öffnete sich die Tür. Ich setzte mich wie immer vor die Tür und hatte gerade ein paar Worte gesagt, da öffnete sie sich mit einem Ruck und mein Vater stand erstaunt in der Tür und starrte zu mir herab. Ich hatte Angst, dass er nun schreien würde, doch er kam nur heraus, schloss die Tür wieder und brachte mich ins Bett, ohne ein Wort zu verlieren. Das war das einzige mal, das ich sah, was sich hinter der Tür verbarg. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es leuchtet in allen Farben des Regenbogens, deswegen nannte ich es danach immer so. Am nächsten morgen fragte ich dann Vater nach diesem Wesen. Er meinte, er wüsste nicht, wovon ich sprach, und da glaubte ich, dass es wohl bloß ein Traum gewesen sein konnte. Mir fiel kein Grund ein, warum mein Vater es mir sonst verschweigen sollte, es konnte nur ein Traum gewesen sein. Ich suchte danach nicht wieder nach der Tür, weder nachts noch tagsüber und sprach nicht wieder von ihm. Ich… habe ihn aus meinen Erinnerungen verbannt“, Tay seufzte und schaute nachdenklich zu den anderen hinüber.

„Du meinst, seine Waffe könnte dieses Wesen sein?“, fragte Lif und neigte ein wenig den Kopf.

„Wenn es eine Waffe wäre, die er schon länger konstruieren würde, wüsste ich von ihr, und Wesen, die im Schloss geben, die in diese Kategorie fallen sind auch sehr rar. Wenn es nicht Regenbogen ist, dann weiß ich beim besten willen nicht, was es sonst sein könnte“, antwortete Tay.

„Das hilft uns zwar nicht dabei, zu bestimmen, was es für ein Wesen ist, aber vielleicht mag deine Erinnerung noch von nutzen sein“, Lif stand auf und ging zögernd zur Tür.

„Wohin gehst du?“, fragte Ayra und er blieb stehen.

„Ich glaube, der Rat sollte davon erfahren. Aber keine angst, Tay, ich werde ihnen nur das wichtigste erzählen“, erklärte er. Da stand das junge Mädchen auf und war mit einigen wenigen Schritten bei ihm.

„Ich will noch mit dir über etwas reden“, erklärte sie und begleitete ihn. Sie wartete, bis sie ganz sicher außerhalb der Hörweite von Drake und Tay waren, da begann sie zu erklären, war ihr auf der Seele brannte.

„Lif, ich will das nicht mehr“, begann sie und schüttelte unwillig den Kopf.

„Was denn?“, fragte der, obwohl er sehr genaue Vorstellungen hatte.

„Der Krieg. Das ihr immer schlechte Nachrichten bringt, wenn ihr heimkehrt. Und das man niemals weiß, ob ihr überhaupt jemals heimkehren werdet. Ich warte jedes mal aufs neue darauf, dass einer von euch nicht wieder kommt. Es wäre nicht das erste mal“, erklärte sie und ihre Stimme zitterte.

„Wir haben keine andere Wahl“, antwortete Lif, doch er sagte es nicht wie jemand, der andere Wege gar nicht erst in Betracht gezogen hatte, sondern wie jemand, der über diesen Weg so verzweifelt war, das es ihn innerlich zerriss.

„Aber wieso? Lif, was liegt hinter den Bergen, das ihr euch so sicher seid, das wir dort niemals in frieden sein werden? Bist du jemals dort gewesen, um es mit Bestimmtheit sagen zu können, oder hast du es auch nur aus Berichten von anderen gehört?“, es war nicht das erste mal, das sie diese Unterhaltung führten, und es war nicht das erste mal, das Lif ihr erklärte, das es schon so viele versucht haben, aber nur die wenigsten wieder gekommen waren. Und die hatten keine guten Nachrichten gebracht.

„Das weiß ich, das sagst du jedes mal“, antwortete Ayra deswegen auch gereizt, doch bevor der junge Rebellenführer antworten konnte, sprach sie auch schon weiter, „aber ich will ja nicht wissen, ob andere sich dessen sicher sind, sondern ob du es bist.“

Auch dies machte sie nicht zum ersten mal deutlich, und normalerweise erhielt sie darauf keine Antwort, doch heute blieb Lif stehen. Einen Moment stand er still da und starrte mit den blicklosen Augen vor sich hin, dann schüttelte er heftig den Kopf.

„Was soll ich den deiner Meinung nach tun Ayra?“, fragte er mit einem mal heftig. Sie trat erschrocken einen Schritt zurück, da sprach er auch schon weiter. „Meinst du, mir macht dieser Krieg spaß? Meinst du, ich führe ihn an, weil ich glaube, dass es eine andere Lösung gibt? Ja verdammt, ich bin dort gewesen, und habe gesehen, was hinter den Bergen liegt! Ich kämpfe, weil ich weiß, das es die einzige Möglichkeit ist. Was soll ich tun, das du es mir endlich glaubst?“

Sie schaute ihn einen Moment erstaunt an. Mit so einem Ausbruch hatte sie nicht gerechnet, deswegen brauchte sie einen Augenblick, um seine Worte in sich aufzunehmen.

„Es tut mir Leid, Lif, aber es fällt mir so schwer das zu glauben, wenn ich es selbst doch nicht gesehen habe. Es gibt nichts in meiner Welt, das schlimmer ist, als dieser Krieg, ich kann es mir einfach nicht vorstellen“, erklärte sie traurig.

„Ich weiß. Ich habe es mir auch niemals vorstellen können“, antwortete Lif sanft, „aber was soll ich tun, dass du mir glaubst?“

„Ich möchte es mit eigenen Augen sehen. Ich möchte von dir die Erlaubnis, dass ich gehen darf“, erklärte sie so sachlich, als wenn sie über eine einfache mathematische Gleichung spräche.

„Du darfst gehen, wohin auch immer du gehen willst Ayra. Ich bin der letzte, der dich dazu zwingt, hier zu bleiben“, antwortete er sanft und ging weiter.

„Dann möchte ich eben dein Einverständnis“, erwiderte sie sogleich. Abermals blieb Lif stehen. Mit einemmal arbeitete es in seinem Gesicht.

„Du würdest auch alleine gehen, wenn ich nur meinen Segen gebe, oder?“, fragte er leise.

„Ja. Rubia würde mich begleiten, das reicht mir“, erklärte sie

Lif seufzte, nickte dann: „Dann werden wir gehen.“



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